Positionen

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Anti*Praxen

Wir freuen uns, dass Du zu unserer Veranstaltung kommst. Bereits vor der Veranstaltung möchten wir Dir einen wichtigen Hinweis mitgeben. Dieser soll Dich weder verunsichern, noch abschrecken. JD/JL sind ein emanzipatorischer Jugendverband. Klar.

Aber was heißt das konkret?

JD/JL sind nicht frei von hegemonialen Macht- und Diskriminierungsstrukturen. Aber: Diese zu enttarnen und zu überwinden ist für uns unabdingbare Voraussetzung für Emanzipation. Wenn wir Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Homo- und Transphobie sowie Ableismus als sich überlappende und ineinander greifende Formen von Unterdrückung und Entmenschlichung überwinden wollen, müssen wir uns auch innerhalb unserer eigenen Zusammenhänge damit auseinandersetzen.

Für uns heißt das, Hierarchien abzubauen und dort, wo wir sie nicht abbauen können, wenigstens reflektiert damit umzugehen. Das schließt mit ein, die eigene Rolle innerhalb bestehender Machthierarchien zu hinterfragen. In der Praxis bedeutet das, dass wir kein rassistisches, sexistisches, antisemitisches, ableistisches sowie homo- und transphobes Verhalten auf unseren Veranstaltungen dulden.

Als Betroffene_r findest Du auf jeden Fall Unterstützung. Wir versuchen, unsere Veranstaltungen barrierefrei zu organisieren. Leider gelingt uns dies nicht immer. Solltest Du an einer unserer Veranstaltungen teilnehmen wollen und unsicher hinsichtlich der Barrieren sein, melde Dich bei uns. Wir finden eine Lösung!


Antifaschismus

Am 2. Februar jährt sich der Sieg der Roten Armee über die deutsche 6. Armee im Kessel von Stalingrad zum 60. Mal. Dieser Sieg leitete die Wende im II. Weltkrieg ein. Anlässlich des Jubiläums bereiteten ARD und ZDF aufwändige Mehrteiler vor, Spiegel und Stern machten mit dem Thema auf, der Deutschlandfunk liest seit Monaten aus Feldpostbriefen von Stalingrad-Landsern vor.

Ein Mythos entsteht …

In Deutschland ist „Stalingrad“ schon lange zum Mythos geworden, bereits in den fünfziger Jahren gab es unzählige Veröffentlichungen. Das Thema bot sich dafür auch an. Eine ganze Armee hat die Wehrmacht verloren, über Monate mussten Hunderttausende Soldaten im Kessel zubringen, der erhoffte „Entsatz“ von außen kam nicht. Die fanatisierten deutschen Soldaten kämpften, obwohl halb verhungert, bis zum Tod, am Ende konnte die Rote Armee gerade mal 110.000 von ehemals 250.000 Wehrmachtssoldaten gefangen nehmen. Dazu kommt das naturkatastrophen-, schicksalhafte der Schlacht. Eingeschlossen von übermächtigen Gegnern, in einer eisigen Steppenlandschaft, kaum Verpflegung. Identifikationsverstärkend tritt hinzu, dass es sich bei den Akteuren um vermeintlich „normale“, meist sehr junge Männer handelte und nicht um Angehörige der SS. Und am Ende kehren aus der Kriegsgefangenschaft gerade einmal 5.000 zurück.

Das neuerliche Interesse an den deutschen Leiden im Krieg, vor allem auch die Veröffentlichungen zur Bombardierung deutscher Großstädte, hat eine Tendenz zum Geschichtsrevisionismus. Den Zweiten Weltkrieg als das individuelle Leid deutscher Soldaten und Zivilisten darzustellen, bedeutet, den historisch-politischen Zusammenhang auszublenden. Die Frage nach der deutschen Schuld und Verantwortung wird so auf Einzelpersonen (Hitler, die Naziführung) abgeschoben. Wo nur die Feldpostbriefe der deutschen Landser vorkommen, werden die sowjetischen Opfer gerade im Kontrast abstrakt. Der Hörer nimmt automatisch die Perspektive des deutschen Soldaten ein. Von da ist es nicht mehr weit dazu, unter dem Slogan des Gedenkens an die „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ alle „Leiden“ auf eine Stufe zu stellen.

Es war ein Vernichtungskrieg, den die Wehrmacht führte

Niemand spricht von der Bombardierung Stalingrads, die dem Kessel vorausging. Die erste Volkszählung nach der Schlacht ergibt noch 10.000 überlebende Einwohner von vormals einer Million. Ebenso wenig wird meist über die Verbrechen der angeblich so anständigen deutschen Landser beim Vormarsch auf die Wolga gesprochen. Die Wehrmachtsaustellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung hat detailliert nachgewiesen, wie sehr eben auch die Wehrmacht an Kriegsverbrechen beteiligt war und welch zentrale Rolle sie bei der Durchführung der Judenvernichtung einnahm.

Dass am Ende nur 5.000 deutsche Soldaten die Kriegsgefangenschaft überlebten, ist nicht etwa der schlechten Behandlung durch die Rote Armee zuzuschreiben, sondern vor allem der Tatsache, dass die Soldaten getreu dem Befehl des „Führers“ sich auch dann nicht ergaben, als sie monatelang ohne auch nur annähernd ausreichende Versorgung im Kessel ausharrten. Allein angesichts dieser selbstverschuldeten Ausgangsbedingungen hatten die ausgehungerten Soldaten keine Chance, die Kriegsgefangenschaft zu überleben. Auf Grund des deutschen Eroberungskriegs war es oft kaum möglich, die sowjetische Zivilbevölkerung ausreichend zu ernähren.

Die wichtigste Frage jedoch, über die viel zu wenig gesprochen wird, ist die Frage, was die Landser mitten in der Sowjetunion eigentlich zu suchen hatten. Die Begeisterung, mit der tausende „normale“ Deutsche in den Krieg gegen die „Bolschewisten“ zogen, mit der sie Führerbefehle wie den, „die gesamte männliche Bevölkerung zu beseitigen“ umsetzten, kommt nicht zur Sprache. Es wird nicht gesagt, dass der Krieg Vorstufe war für die Umsetzung des „Generalplans Ost“, der ganz Osteuropa mit „arischen“ Bauern kolonisieren wollte, wofür es Voraussetzung war, die gesamte „fremdrassische“ Bevölkerung zu versklaven oder zu ermorden. Man spricht auch nicht davon, dass jeder Tag, den die Wehrmacht „standhielt“, ein Tag war, an dem der Holocaust weitergehen konnte.

Stattdessen erzählt man sich lieber rührselige Geschichten und bemitleidet die deutschem Mörder, weil sie in der vereisten Steppe ihre Toten nicht beerdigen konnten.

Dem setzen wir eine andere Perspektive entgegen, getreu dem Schwur der Häftlinge von Buchenwald nach der Befreiung: Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!

Antimilitarismus und Friedenspolitik

Grundsätzliches zu Antimilitarismus

Beschluss der 2. außerordentlichen Landeskonferenz der JungdemokratINNen / Junge Linke Berlin vom 10.11.2002

  • JungdemokratINNen/Junge Linke lehnen den Einsatz militärischer Gewalt durch einzelne Staaten oder Bündnisse (bspw. NATO, WEU), welche nicht durch die Selbstverteidigung des eigenen Territoriums vor militärischen Übergriffen erforderlich ist, ab. Präventive bzw. präemptive Kriege werden von JungdemokratINNen/Junge Linke dementsprechend ebenso abgelehnt.
  • JungdemokratINNen/Junge Linke lehnen militärische Sanktionsmaßnahmen der UNO nach der Charta der UN ebenfalls ab.
  • JungdemokratINNen/Junge Linke halten statt dessen neben der Umsetzung der möglichen zivilen Konfliktlösungsmechanismen die Beseitigung der ungleichen sozio-ökonomischen Bedingungen für entscheidend zur Beendigung und Verhinderung von Kriegen und quasistaatlicher militärischer Gewalt.
  • JungdemokratINNen/Junge Linke fordern die Abschaffung der Bundeswehr sowie die Auflösung von NATO und WEU.
  • JungdemokratINNen/Junge Linke setzen sich kritisch mit antisemitischen Legitimationsmustern pseudofriedenspolitischer Positionen eines Teils der dt. Friedensbewegung auseinander.
  • JungdemokratINNen/Junge Linke verstehen sich als Teil der Friedensbewegung. JungdemokratINNen/Junge Linke greifen die militärgestützte Außenpolitik der BRD und ihre geschichtsrevisionistische Herleitung an. JungdemokratINNen/Junge Linke lehnen einerseits eine Beteiligung der Bundesrepublik an Kriegen der USA oder anderer Militärbündnissen prinzipiell ab. Andererseits kritisieren wir die Konstitution einer militärischen Souveränität Deutschlands und der EU gegen die USA, auch wenn sie sich friedenspolitisch gibt.

Bundeswehr in Tradition und Krieg

Deutschland wieder gutgelobt – Die Bundeswehr zwischen Tradition und Kriegseinsätzen.

Der 20. Juli 1999 und das Oberkommando der Wehrmacht

Am 20. Juli werden die Stützen der Gesellschaft (selbst Bundeskanzler Schröder und Kriegsminister Scharping haben sich angesagt) die Bundeswehr und ihre angebliche demokratische Tradition abfeiern. Datum und Ort sind mit Bedacht gewählt. Im Bendlerblock, dem früheren Sitz des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) erhoben sich 1944 deutsche Militärs zum ersten und einzigen Mal gegen ihren obersten Kriegsherrn. Die nationalkonservativen Eliten der Wehrmacht – zuvor willige Vollstrecker deutscher Großmachtpolitik – planten zu einem Zeitpunkt den Umsturz, als der Krieg bereits verloren war.

Schon seit einigen Jahren versucht die Bundeswehr das Etikett des antifaschistischen Widerstandes zu vereinnahmen. Nicht zuletzt die rot-grünen Außen- und Militärpolitiker haben das Image der Bundeswehr kräftig modernisiert. Mit dem Kosovo-Krieg ist die Bundeswehr in eine neue Etappe der Legitimierung der eigenen Existenz eingetreten. Während noch Ende der 80er Jahre internationale Zurückhaltung aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit selbst von der CDU eingefordert wurde, hat sich das Bild im vereinigten Deutschland komplett umgekehrt. Rot-Grün gelang, was für traditionsbewußte Konservative unmöglich war: Eine Imagekorrektur, die selbst die Werbefachleute für Persil oder Ariel vor Neid erblassen lassen würde. Die Lehre aus 12 Jahren Nationalsozialismus und zwei Weltkriegen lautet nicht mehr internationale „Selbstbeschränkung“, sondern künftig soll am deutschen Wesen wieder die Welt genesen. Ein rechter Traditionsverein für Demokratie und Menschenrechte oder gar der „bewaffnete Arm von amnesty international? „Krieg ist Frieden!“ Georg Orwell

Der 20. Juli und der staatliche Antifaschismus

Schon unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtergreifung regte sich aus unterschiedlichen politischen Richtungen Widerstand gegen das neue System: Kommunisten, Sozialdemokraten, Liberale, Anarchisten, Juden, Christen, Pazifisten und linke Intellektuelle zählten dazu. Sie alle fielen dem Nationalsozialismus zum Opfer. Sie wurden erschlagen, gefoltert, in Konzentrationslagern zu Tode gequält oder vergast. Jedoch nur an einem Tag gedenken die bundesdeutschen Eliten des antifaschistischen Widerstands: am 20. Juli. Das Datum wurde mit Bedacht gewählt. Nicht, weil es keine anderen Daten für das zentrale Gedenken gibt, sondern weil der militärische Widerstand um Stauffenberg, Goerdeler und Leuschner die besten Anknüpfungspunkte für die bundesrepublikanische Gesellschaft bot. Die antikommunistischen Ideen bzw. die autoritären und teilweise antisemitischen Vorstellungen der Verschwörer erschienen zeitgemäßer als die emanzipatorischen und antikapitalistischen Zukunftsentwürfe der diversen anderen Widerstandszirkel.

Am 20. Juli 1944 hatten einige Offiziere der Wehrmacht gemeinsam mit anderen Eliten versucht, Hitler zu ermorden und eine neue Regierung im Deutschen Reich zu errichten. Die Attentäter gehörten zu jenen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Eliten, die über zehn Jahre vom Nationalsozialismus profitiert und die sich noch zuvor maßgeblich an seiner Errichtung beteiligt hatten. Während der Machtübernahme sicherte Hitler den Wehrmachtseliten noch militärische Autonomie zu. Auch in Fragen der Rüstungspolitik, der Einführung der Wehrpflicht, der deutschen Großmachtpolitik und in der Sorge um „volkstumspolitische“ Gefahren bestand durchaus eine Nähe zum Regime. Deshalb sprach man auch hier von einer „Judenfrage“. Zu Beginn des Nationalsozialismus war bspw. Carl Friedrich Goerdeler, einer der Köpfe der Verschwörung vom 20. Juli, noch Hitlers Reichskommissar für die Preisbildung und saß im Kabinett. Johannes Popitz amtierte als Hermann Görings Finanzminister in Preußen und Hjalmar Schacht, der schon bei der rechtsextremen „Harzburger Front“ aktiv war, diente von 1934 – 37 dem „Führer“ als Reichswirtschaftsminister und bis 1939 als Reichsbankpräsident.

Aber auch noch zehn Jahre später bei den letzten Putschvorbereitungen zeigten sich einige der Hauptverschwörer keineswegs als bekehrte Antifaschisten, vielmehr als unbelehrbare Reaktionäre. So widersetzten sich Goerdeler und Hassler fast bis zuletzt einer Beteiligung des Gewerkschafters Wilhelm Leuschner und des Sozialdemokraten Julius Leber an der nach dem geplanten Sturz Hitlers zu bildenden Regierung. Und zu einer Zeit, da die Opfer des Terrors der SS und Gestapo schon Millionen zählten, spielte Popitz noch ernsthaft mit dem Gedanken, ausgerechnet deren Chef, den Reichsführer SS Heinrich Himmler, zum Nachfolger Hitlers zu machen. Die meisten anderen Verschwörer faßten entweder eine Militärdiktatur oder die Wiedererrichtung der Hohenzollern-Monarchie ins Auge.

Auch wenn es ohne Zweifel positiv zu bewerten ist, daß – einmalig in der deutschen Geschichte – hohe Militärs gegen ihren Obersten Kriegsherrn putschten, so sind doch auch ihre Begründungen für ihr Tun nicht unerheblich. Der Entwurf einer Regierungserklärung, die nach dem geglückten Umsturz veröffentlicht werden sollte, gibt Aufschluß. Dort heißt es: „…Aber noch ist Krieg. In ihm gebührt unser aller Arbeit, Opfer und Liebe den Männern, die das Vaterland verteidigen. …und daß wir diesen Krieg fernerhin mit reinen Händen, in Anstand, mit der Ehrenhaftigkeit, die jeden braven Soldaten auszeichnet, führen werden.“ Noch nicht einmal die Beendigung des Weltkrieges, den Deutschland vom Zaun gebrochen hatte, war das Ziel dieser sogenannten Widerständler. In ihrer Regierungserklärung wird er dreist zum Verteidigungskrieg umgelogen. Zwar kritisierten sie, daß der Krieg nur der „Eroberungssucht und dem Prestigebedürfnis eines Wahnsinnigen“ gedient hätte, aber die einzig richtige Konsequenz daraus zu ziehen – die sofortige Beendigung des Krieges zu fordern – waren sie nicht in der Lage, weil sie die Großmachtpläne Hitlers nicht nur teilten, sondern sogar an der konkreten Ausarbeitung und Umsetzung dieser Pläne beteiligt waren.

Aber auch auf innenpolitischem Gebiet waren die Differenzen zur nationalsozialistischen Führung nicht so groß, wie man bei der Formulierung „militärischer Widerstand“ annehmen könnte. Berthold Graf Stauffenberg, der Bruder des Attentäters, der mit zu den Verschwörern gehörte, sagte z. B.: „Auf innenpolitischem Gebiet hatten wir die Grundideen des Nationalsozialismus zum größten Teil durchaus bejaht: Der Gedanke des Führertums, …verbunden mit dem einer gesunden Rangordnung und dem der Volksgemeinschaft, … der Rassegedanke und der Wille zu einer neuen, deutsch bestimmten Rechtsordnung erschien uns gesund und zukunftsträchtig…“ Zwar hielten sie die Ausrottung des Judentums für falsch, waren aber dennoch antisemitisch genug, um Pläne für eine Aussiedlung der Juden und Jüdinnen nach Kanada oder Südamerika zu schmieden.

Es war bestimmt kein Zufall, daß die Verschwörer des 20. Juli erst 1944 ihre Abneigung gegen Hitler entdeckten und nicht schon beim Aufkommen der NSDAP oder wenigstens 1933, als viele andere für ihre Überzeugungen bereits mit Lagerhaft bezahlten. Sie waren zum Großteil überzeugte Nationalsozialisten und die Differenzen tauchten erst dann auf, als die nationalsozialistische Politik nicht mehr so erfolgreich war wie am Anfang. Und das ist es, was die Offiziere des 20. Juli in den Augen der bundesdeutschen Eliten vor den meisten anderen WiderstandskämpferInnen auszeichnet: Daß sie erst dann gegen die Führung aufbegehrten, als das Wohl des deutschen Staates in Gefahr war, erst dann und nur deswegen.

Das Vergessen der Beteiligung des 20. Juli am Vernichtungskrieg in der Sowjetunion und ihres Antisemitismus war Teil der deutschen „Wiedergutmachung“. Die Mär vom „anderen Deutschland“ gehörte zu den Lebenslügen einer ganzen Generation.

Traditionsverständnis bei der Bundeswehr

Nach dem Wechsel auf der Hardthöhe fährt der Verteidigungsminister Scharping einen Zickzackkurs. Das Gelöbnis soll wieder ins öffentliche Rampenlicht – aber verknüpft mit „antifaschistischen Daten“ wie dem 20. Juli. Kasernennamen sollen revidiert werden, allerdings nur in Abstimmung mit den Kommunen vor Ort. Zur „Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger“ hat der Minister den Kontakt abgebrochen – zu offensichtlich waren ihre Verbindungen zu rechtsextremistischen Vereinen. Gleichzeitig wird jedoch öffentlich über die Einführung einer neuen Tapferkeitsauszeichnung nachgedacht. „Man muß über die Schaffung einer deutschen Tapferkeitsauszeichnung nachdenken. (…) Das Eiserne Kreuz als Tapferkeitsauszeichnung hat eine gute Tradition in Deutschland seit den Befreiungskriegen.“ (Nato-General und Bundeswehrinspekteur a.D. Naumann, 1999)

Und obwohl sich Scharping bemüht, den 20. Juli als zentrales Datum der Traditionsstiftung einzusetzen, werden kritischen Militärhistorikern, wie Detlef Bald, Lehraufträge an der Bundeswehrhochschule entzogen. Und natürlich distanziert sich auch die neue Bundeswehrführung von der Hamburger „Wehrmachtsausstellung“, die die Verbrechen der Wehrmacht aufgearbeitet hat.

Die idealisierte Erinnerung an das Stauffenberg-Attentat war im Land der Mitläufer und Mittäter zunächst allerdings unpopulär. Sie konnte ihre Wirkung als Symbolfigur des „anderen Deutschlands“ und einer „demokratischen Armee“ erst entfalten, nachdem jene integriert und amnestiert waren.

Es war ein langer Weg von der Diffamierung als „Vaterlandsverräter“ in den ersten zwei Jahrzehnten der Nachkriegszeit bis zur schrittweisen – wenn auch nicht unumstrittenen – offiziellen Anerkennung als „Aufstand des Gewissens“. Noch Mitte der 60er Jahre sahen 25 Prozent der Bundesbürger im Widerstand einen Fall von „Verrat“. So wurde noch in den ersten Nachkriegsjahren von den politischen Eliten der Bundesrepublik die politische und rechtliche Legitimation des Attentats diskutiert. Im öffentlichen Gedenken an den 20. Juli stellte sich das Widerstandsproblem anders dar – regelmäßig werden die offiziellen Gedenkfeiern zur Abrechnung mit anderen Formen des Widerstands genutzt. An einer ausdrücklichen Würdigung kommunistischen Widerstandes bestand auch hier kein großes Interesse, zumal die KPD in der Bundesrepublik zeitgleich mit der Wiederbewaffnung verboten wurde. Den politischen Akteuren war jedoch daran gelegen, diese polarisierenden Effekte zu überspielen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wurde die breite – angeblich alle politischen Richtungen und sozialen Gruppen einbindende – Unterstützung des Widerstands vom 20. Juli betont. Nur so konnte aus dem Widerstand einiger Militärs ein „Symbol der Selbstachtung unseres Volkes und (…) einer Rehabilitierung in der Völkerfamilie“ werden (Heinrich Lübke, NSDAP-Mitglied und Bundespräsident).

Wie wohl keine andere staatliche Einrichtung war und ist die Bundeswehr mit diesem Datum konfrontiert. Zum einen geht es auch hier um das Verhältnis zwischen Wehrmacht / Nationalsozialismus und Bundeswehr, also um das schwierige Problem der soldatischen Traditionspflege. Zumal der weit überwiegende Teil derer, die seit Ende der 50er Jahre in die Kasernen einrückten, in der Wehrmacht treu gedient hatte. Andererseits – so hieß es in der für den Aufbau der Bundeswehr grundlegenden Himmeroder Denkschrift – müsse diese Anerkennung „mit der Achtung vor den vielen anderen Soldaten“ einhergehen, „die im Gefühl der Pflicht ihr Leben bis zu Ende eingesetzt haben“. Die Denkschrift wurde von ehemaligen Wehrmachtsoffizieren verfaßt, die sich über einen zukünftigen deutschen „Wehrbeitrag“ Gedanken machten. In der öffentlichen soldatischen Traditionspflege zeigt sich insofern ein widersprüchliches Bild: Bundeswehrangehörige beteiligen sich ebenso selbstverständlich an der Gedenkfeier im Bendlerblock wie an Ehrenzeremonien vor Kriegerdenkmälern aus der NS-Zeit.

Militärische Traditionspflege kennt weder Demokratien noch Diktaturen, sondern nur den Staat. Und dies hat auch einen einfachen Grund. Die Aufgaben und die interne Organisation der Armeen sind in jedem Gesellschaftssystem identisch. Allein, um eine höhere Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung herzustellen, müssen unterschiedliche Legitimationen konstruiert bzw. andere Formen der unterschiedlichen Präsentation gefunden werden.

Die Gründung der Bundeswehr

Während nach dem Zweiten Weltkrieg die Städte noch von Trümmern und Kriegsinvaliden geprägt waren und die Bevölkerung mehrheitlich die Forderung „Nie wieder Krieg!“ unterstützte, begannen deutsche Politiker schon wieder, die Möglichkeit einer Remilitarisierung der Bundesrepublik ins Auge zu fassen. Ebenso, wie in der Wirtschaft, dem Staatsapparat und der Justiz die alten Kräfte wieder tätig wurden, konnte auch die neue Armee nur mit ehemaligen Nazis aufgebaut werden, die in der Wehrmacht dem „3. Reich“ bis zuletzt treu gedient hatten. Schon die ersten Berater der Bundesregierung in militärischen Fragen waren zuvor hohe Offiziere der Wehrmacht gewesen.

Bei allen Überlegungen hinsichtlich einer künftigen deutschen Streitmacht, die ehemalige Offiziere seit etwa 1948 in privaten Zirkeln anzustellen begannen und seit Sommer 1950 dann auch in offiziösen Denkschriften formulierten, spielte der Gesichtspunkt der Wiederherstellung der „soldatischen Ehre“ eine zentrale Rolle. Nicht die eigene Kriegsführung, sondern die Behandlung durch die Alliierten nach dem Ende des Krieges stand im Mittelpunkt der Debatte. Ohne eine prinzipielle Änderung dieser insgesamt als „Diffamierung“ empfundenen Situation wollte man sich für den Aufbau neuer, wie auch immer in den westlichen Verteidigungszusammenhang eingebundener deutscher Streitkräfte nicht zur Verfügung stellen. Und in der Himmeroder Denkschrift wurde die „Rehabilitierung des deutschen Soldaten durch eine Erklärung von Regierungsvertretern der Westmächte“ und eine entsprechende „Ehrenerklärung“ von Bundestag und Bundesregierung verlangt. Darüber hinaus wurde die Freilassung aller als Kriegsverbrecher verurteilten Deutschen gefordert.

Und so wurde – noch bevor der erste Soldat der Bundeswehr seinen Dienst antrat – die Ehre der Soldaten der Wehrmacht wiederhergestellt, die Kriegsverbrecher amnestiert und die größtenteils rechtsextremistischen Traditionsverbände wieder zugelassen. So war es wohl kaum ein Zufall, daß Kasernen und Kriegsschiffe nach alten Wehrmachtsoffizieren benannt wurden, alte faschistische Lieder in den Gesangsbüchern der Bundeswehr auftauchten oder ein Portrait von Hermann Göring im Offizierskasino eines Luftwaffengeschwaders aufgehängt wurde.

Aber zu den unverdauten Daten zählte für viele Bundeswehrangehörige und soldatische Traditionsverbände nicht zuletzt der 20. Juli 1944, dessen Niederschlagung noch von vielen ehemaligen Wehrmachtsoffizieren verteidigt wurde. Und so ist es kaum verwunderlich, daß der ehemalige Brigadegeneral a.D. der Bundeswehr Günther Roth noch 1997 in der Auseinandersetzung um die „Wehrmachtsausstellung“ betonte: „Als militärisches Instrument war sie (die Wehrmacht; d. Red.) durch den Primat der Politik gezwungen, der Staatsführung zu gehorchen, als diese militärische Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Absichten als unabdingbar notwendig erklärte.“ Also auch hier das Ideal des „unpolitischen Soldaten“.

Geschichte und Ideologie

Jeder Staat gibt sich eine offizielle Geschichtsschreibung, also jene Lesart der Geschichte, die in Schulbüchern, Gedenktagen oder Denkmälern zur Geltung kommt. Die offizielle Geschichtsschreibung vermittelt uns nicht nur, wie es – angeblich – gewesen ist, sondern wir erfahren zugleich, wie die vergangenen Formen von Staat und Gesellschaft aufzufassen und welche Konsequenzen daraus für die Bürger abzuleiten sind. Die offizielle Geschichtsschreibung soll also ein Orientierungsschema vermitteln, das die politischen Denk- und Verhaltensformen beeinflussen soll. Ein Geschichtsbild – und seine Interpretation – ist also in hohem Maße politisch bedeutsam. Gerade weil mit dem „richtigen“ Geschichtsbild Institutionen sich selbst legitimieren können, wird Geschichte immer auch ein Feld der politischen Auseinandersetzung bleiben. Und so ist es auch kaum verwunderlich, daß sich die Bundeswehr trotz belegter Wehrmachtsverbrechen von der „Wehrmachtsausstellung“ distanziert oder die kritische Betrachtung der beteiligten Personen des 20. Juli noch immer als linke Propaganda abgetan wird.

Germanische Rituale mit braunen Flecken

Gelöbnisse sind Ausdruck einer Tradition, die vordemokratischen Zeiten entstammt. Sie symbolisieren den militärischen Drill, die Entmündigung sowie die Ein- und Unterordnung des Einzelnen unter das Prinzip von Befehl und Gehorsam. Die Rekruten sind in dieser undemokratischen Zeremonie sichtbar ihrer Persönlichkeit beraubt. Das gleichgeschaltete Marschieren und Stillstehen der Rekruten, das monotone Nachsprechen der Gelöbnisformel, die exakte Befolgung der Befehle stehen für Unmündigkeit und Gleichschaltung. Eine Zeremonie, die den Grundwerten einer demokratischen und zivilen Gesellschaft entgegensteht.

Staatliche Institutionen – insbesondere Armeen – bedienen sich zur Legitimation der Selbstdarstellung schon immer eines historischen Hintergrundes. Dies gestaltet sich jedoch gerade bei einer deutschen Armee äußerst problematisch, gibt es doch keine demokratischen Vorbilder, an denen man sich orientieren könnte. Da jedoch soldatische Disziplin gegenüber demokratischen Idealen Vorrang hat, hält die Bundeswehr an dem obrigkeitsstaatlichen Relikt der Gelöbnisse und Vereidigungen fest. Die Gelöbnistradition der Bundeswehr geht auf die absolutistischen Söldnerheere zurück. Die Soldaten mußten auf den Kriegsherrn und die Kriegsartikel die Treue schwören. Mit der Einführung der Wehrpflicht änderte sich auch der Charakter des Eides. Während bei den Söldnerheeren der Eid noch den Charakter eines „freiwilligen“ Arbeitsvertrages hatte, wurde der Eid mit der Wehrpflicht zur Untertanenpflicht, mit dem der Soldat dem Landesherrn und dem „Vaterland“ ewige Treue schwor. Mit der Weimarer Republik setzte sich in Deutschland erstmals das liberale Bürgertum mit seiner Forderung durch, daß die Soldaten auf die demokratische Verfassung eines Staates ihren Eid ableisten. Im Nationalsozialismus wurde der Eid erneut geändert und verpflichtete von nun an den Soldaten zum unbedingten Gehorsam gegenüber Adolf Hitler. Eidbruch wurde mit dem Tode bestraft.

In der Bundesrepublik entbrannte nun erneut ein energischer Streit zwischen Reformern und Traditionalisten. Nur noch Zeit- und Berufssoldaten müssen heute den Eid auf die Bundesrepublik – nicht jedoch auf die Verfassung – ablegen. Die Wehrpflichtigen geloben hingegen „nur“. Traditionspflege und militärische Zeremonien zeigen allerdings deutlich den Widerspruch zwischen autoritär-obrigkeitsstaatlicher Vergangenheit und angeblich demokratischem Anspruch der Bundeswehr heute.

Die Bundeswehr out-of-area

Mit dem Zerfall des Warschauer Paktes befand sich die Bundeswehr in einer Legitimationskrise. Die Bundesrepublik ist umzingelt von Freunden, und ein Oderhochwasser kann auch vom Technischen Hilfswerk (THW) bekämpft werden. Auch deshalb arbeiten seit 1989 einflußreiche Kreise gezielt und erfolgreich an der Militarisierung bundesdeutscher Außenpolitik. Die Öffentlichkeit hat sich bereits an diese Politik gewöhnt und nimmt ihre Brisanz kaum noch zur Kenntnis. Etwa 10 Prozent des Bundeshaushalts gehen noch immer an das Verteidigungsministerium. Um dies angesichts der günstigen sicherheitspolitischen Lage zu rechtfertigen, mußten Militärs immer neue militärische Aufgaben ersinnen. In den entscheidenen Jahren 1991 – 1995 führte General Klaus Naumann die Bundeswehr zu neuen Ufern. Die Bundeswehr wurde von einer Verteidigungs- zur Interventionsarmee umgebaut. So wird unbemerkt von der Öffentlichkeit ein Fallschirmjägerverband bereits mit neuen Kriegstechniken ausgebildet: Dschungelkampf, Wüstenkampf und Polarkampf. Um all jene Tätigkeiten besser vermarkten zu können, heißen die neuen Aufgaben der Bundeswehr jedoch nicht mehr Kampfeinsätze, sondern beschönigend „Friedensmissionen“. Das Ziel heißt „weltweite Einsatzmöglichkeiten“, um die politischen, ökonomischen und geostrategischen Interessen der Bundesrepublik optimal zu verwirklichen. Mit dem Kosovo-Krieg ist auch dieses Ziel erreicht. Tausende von deutschen Soldaten auf dem Balkan, ohne daß dies zu einer nennenswerten Debatte über die deutsche Vergangenheit auf dem Balkan führt. Und selbst die Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an einem Luftangriff auf Belgrad – jener Stadt, die schon 1941 gänzlich von deutschen Bomben zerstört wurde – führte nicht zu einem Ansturm des Protestes.

Antirassissmus

Kein Mensch ist illegal! Für die Legalisierung aller Illegalisierten! Gleiche Rechte für alle!

Illegalität in deutscher Produktion

In Deutschland leben nach offiziellen Schätzungen bis zu 1,5 Mio. „Illegale“, Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere also. Die realen Zahlen dürften weit darüber liegen. Die Gründe für die Illegalität sind vielfältig. Sie reichen von der Ablehnung als Asylbewerber, die illegale Einreise aufgrund der Chancenlosigkeit, Asyl zu bekommen, über abgelaufene und nicht verlängerte Papiere, bis hin zu Ausweisungen aufgrund von Verstößen gegen das Ausländergesetz oder das Asylverfahrensgesetz (z.B. gegen die Residenzpflicht). Viele Frauen und auch Männer werden plötzlich illegal, weil sie nach einer Scheidung keinen eigenen Aufenthaltstitel haben. Eine Vielzahl von Menschen lebt aber unter dem Mantel der „Scheinlegalität“. Das Touristenvisum ermöglicht ihnen die legale Einreise. Durch die Beschäftigung hier werden sie aber „Illegale“. Für die klassischen PendlerInnen ist es zudem notwendig, regelmäßig neu einzureisen, um ein neues Touristenvisum zu erhalten.

Diese hohe Anzahl von Menschen, die völlig rechtlos in der Bundesrepublik Deutschland leben, ist kein Zufall. Vielmehr ist sie die Folge der seit Jahren von Regierungen unterschiedlicher Couleur betriebenen Migrationspolitik, die besser als Illegalisierungspolitik zu beschreiben ist. So wurde mit der Asylgesetzänderung 1993 die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl beschlossen. Fluchtwege wurden systematisch kriminalisiert (3-Staatenregelung), die Legitimität von Flucht selbst durch die Definition „Sicherer Herkunftsstaaten“ weiter eingeschränkt. Hinzu kam die Verschärfung der Repression gegen Menschen, die dennoch nach Deutschland fliehen. Sie werden monatelang in Lagern an deutschen Flughäfen interniert. Statt ihnen zu ihrem Recht auf Asyl zu verhelfen, soll gerade das verhindert werden.

Die Abschottungspolitik der Europäischen Union tut ihr übriges. Die massive militärische Aufrüstung der EU-Außengrenzen wie z.B. der deutschen Ostgrenze, eröffnet eine regelrechte Jagd auf Flüchtlinge. Die EU-weit eingeführten Datenabgleichsysteme sorgen für die Erfassung aller Flüchtlinge mit dem Fluchtziel Europa und verhindern die Weiterflucht in ein anderes Land der Europäischen Union. Auch das rot-grüne Einwanderungsgesetz setzt die Politik der Illegalisierung von Flucht und Migration ungebrochen fort. In dem vorgelegten Entwurf wird die Abschaffung der Duldung festgeschrieben. Bisher Geduldete verlieren ihre Arbeitserlaubnis. Den Status der Duldung erhielten bislang vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge, die vorübergehend nicht abgeschoben werden konnten, Menschen mit ungeklärter Herkunft und Flüchtlinge, die Abschiebeschutz genießen. Nach Schätzungen von Pro Asyl können nur etwa 6% der ca. 250 000 Flüchtlinge mit Duldungsstatus einen ordentlichen Aufenthaltstitel erhalten. Die anderen 94 % werden systematisch in die Illegalität gedrängt. Der Entzug der Arbeitserlaubnis erhöht das Heer derer, die sich zwar legal in Deutschland aufhalten aber „Illegal“ hier arbeiten. Sie werden zu „Halb-Legalen“. Durch die geplante Ausweitung des Asylbewerberleistungsgesetz auf weitere Flüchtlingsgruppen (z B. Kriegsflüchtlinge, Kranke und Behinderte, Flüchtlinge mit Bleiberecht aufgrund Altfallregelung) wird die Situation der in Deutschland lebenden Flüchtlinge weiter verschlechtert und dürfte ebenfalls eine Ursache für das Abtauchen vieler in die Illegalität sein.

Überleben in der Kontrollgesellschaft

Die wesentliche Frage, ob und wieweit die Situation Illegalisierter gezielt benutzt oder gar erst geschaffen wird, um Arbeitsleistungen zu niedrigsten Löhnen abzupressen ‚lässt sich nicht eindeutig beantworten. Zunächst ist davon auszugehen, dass einige Wirtschaftssektoren nur über entrechtete bis illegale Arbeit aufrechtzuerhalten sind. Dazu zählen vor allem die Bauindustrie und Landwirtschaftsbetriebe, Restaurants und Gebäudereinigung, aber auch das Sexgewerbe und die Hausarbeit. Privatunternehmerische und staatliche Interessen scheinen dabei in der öffentlichen Diskussion bisweilen im Gegensatz zu stehen. Staatliche Behörden klagen über Steuerungsverluste, sie begreifen illegale Beschäftigung als Schutz und Nährboden weiterer illegale Zuwanderung‘, und nicht zuletzt besteht das Interesse, die ‘eigenen‘ Arbeitslosen und SozialhilfeempfängerInnen verstärkt in den Niedriglohnsektor zu zwingen. Dennoch dient die Hetze gegen Illegale“, „Schlepperbanden“ und „Schwarzarbeiter“ staatlichen Institutionen zur Durchsetzung weiterer Gesetzesverschärfungen. Die Illegalisierung von Flucht und Migration ist nur mit sicherheitspolitischen und polizeistaatlichen Mitteln durchsetzbar und wirkt sich so auf die Gesamtgesellschaft aus.

In Deutschland wird das überleben in der Illegalität durch die hohe Dichte an überwachungs- und Kontrollmechanismen die der‘. umfassenden Zugriff des Staates auf die hier Lebenden ermöglicht. zusätzlich erschwert. Angaben zum Wohnort und Arbeitsplatz, die Kranken- und Sozialversicherungsnummern, der Bezug von Sozialleistungen und selbst die Kfz-Zulassungen sind datentechnisch erfasst und zusammengeschlossen. Hinzu kommen spezielle „Ausländergesetze“, die wie die Residenzpflicht oder Chipkarten des Asylbewerberleistungsgesetzes den Tagesablauf von Flüchtlingen und MigrantInnen kontrollieren. Rassistische Gesichtskontrollen und die umfassende Kameraüberwachung im öffentlichen Raum sowie neue technische Möglichkeiten wie Gesichtsscannen etc, machen das heimliche überleben schwierig. Menschen ohne Papiere sind ausbeutbar und erpressbar. Sie arbeiten zu absoluten Dumpinglöhnen, sind nicht sozial- oder krankenversichert, haben kaum Chancen ihren Lohn gegen den Arbeitgeber einzuklagen. Zusätzlich leben sie täglich mit dem Risiko vom Chef oder von Kollegen angezeigt zu werden oder in eine der regelmäßig stattfindenden Polizeirazzien zu geraten. Die Suche nach einer Wohnung ist schwierig. Oft müssen Illegalisierte für einen Schlafplatz in einer heruntergekommenen Wohnung horrende Summen zahlen. Sie haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung.

„Illegale“ unterstützen, Legalisierung fordern!

Sowohl die Migrations- und Flüchtlingspolitik der BRD als auch die der Europäischen Union zielt auf die weitere Illegalisierung von Flüchtlingen. Antirassistische Politik muss diese Tendenz zur Kenntnis nehmen und in politische Forderungen münden lassen. Eine Politik, die gegen die zunehmende Entrechtung von Nicht-Deutschen und Nicht-EU-EuropäerInnen vorgehen will, muss in Zukunft auf drei Ebenen agieren. Zum einen ist die Unterstützung bestehender Netzwerke notwendig, die Illegalisierten das überleben ermöglichen. Zum anderen muss die Selbstorganisation von Betroffenen durch uns unterstützt und gestärkt werden. Ihrer Meinung Gehör zu verschaffen, können die Flüchtlinge und MigrantInnen nur selbst. Sie dabei zu unterstützen, ist unsere Aufgabe. Die dritte Ebene muss die Forderung nach Legalisierung und vollen Rechten sein. Die Legalisierungsforderung darf dabei nicht als einmaliger Gnadenakt verstanden werden. Sie muss auf die Thematisierung der gesellschaftlichen Ausschließungsprinzipien zielen, spezielle Strafgesetze für AusländerInnen angreifen, die breite Erfassung verhindern, durch die die Gefahr der Abschiebung droht und das legale Leben an einem Wohnort freier Wahl mit der Zusicherung aller Rechte zum subjektiven Recht erheben. Nur so kann verhindert werden, dass Legalisierung selbst zum Ausschluss führt und nur einer kleinen Gruppe zugute kommt. Eine antirassistische Legalisierungskampagne zielt auf permanente Legalisierung in möglichst kurzen Abständen.

JungdemokratINNen/Junge Linke fordern deshalb
  • Menschenrechte sowie sozial- und tarifrechtliche Standards müssen unabhängig vom Aufenthaltsstatus gewährt werden und einklagbar sein!
  • Legalisierung aller in Deutschland lebenden Flüchtlinge und MigrantInnen!
  • Keine Kriminalisierung von Flucht- oder Flüchtlingshilfe!
  • Gleiche Rechte für alle!

Beschluss der 2. ordentlichen Landeskonferenz der JD/JL Berlin vom 23.02.2002

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